Sehr geehrter Prof. Wiedemann,

Mir wurde nach meinem letzten Arztbesuch elmiron verschrieben, aber ich weiß nicht was das genau ist. Können Sie mir erklären, was das Medikament ist und wie es wirkt?

 

Antwort von Prof. Dr. Wiedemann:

Die medikamentöse Therapie beruht auf mehreren Säulen: Es bedarf einer suffizienten Schmerztherapie, die häufig nur mit Morphinen (und nicht mit „üblichen“ Schmerzmedikamenten wie Acetylsalicylsäure, Noraminsulfon, Ibuprofen o. ä.) Erfolge zeigt. Wie in der modernen Schmerztherapie üblich, wird diese Schmerztherapie mit einem Antidepressivum kombiniert. Dies geschieht nicht zur Bekämpfung einer Depression, sondern um die schmerzstillende Wirkung der Schmerzmedikamente zu verstärken. Medikamente gegen eine Drangblase („Anticholinergika“) wirken bei der IC nicht. Substanzen, die gegen Neuralgien wirken, können genauso wie Anti-Allergiemittel („Antihistaminika“) im Einzelfall eingesetzt werden.

Dreh- und Angelpunkt der medikamentösen Therapie der IC ist Pentosanpolysulfat (PPS; elmiron®). PPS (elmiron®) ist der körpereigenen Schleimhautschutzschicht (GAG-Schicht) sehr ähnlich und kann diese „ersetzen“. Sie kleidet einem „Anstrich“ nicht unähnlich die Blase aus und verhindert so, dass saure Stoffe oder andere schädigende Nahrungsbestandteile in die Blasenwand eindringen können. Die Therapie braucht Zeit, bis sie effektiv wirkt. Es wird empfohlen die Dosis von 3 x 100 mg sechs Monate einzunehmen, ehe eine erneute Untersuchung (gerne auch mit dem O´Leary-Symptomenscore im vor-nachher-Vergleich) eine gemeinsame Entscheidung herbeiführt, die Substanz auf Dauer einzunehmen. Wird sie dann weiter verabreicht, ist eine augenärztliche Untersuchung empfehlenswert. Hintergrund ist ein in der Fachwelt umstrittener Hinweis eines amerikanischen Augenarztes, dass PPS nach Jahrzehnten der Anwendung in besonders hoher Dosierung eine bestimmte Netzhauterkrankung auslösen könne (Makulopathie). Bei der Verordnung von elmiron® (PPS) gibt es eine weitere Besonderheit: wegen eines Rechtsstreites zwischen den Krankenkassen und dem Hersteller um den Preis des Medikamentes wurde elmiron® vorübergehend in Deutschland aus dem Handel genommen. elmiron® ist aber weiter per Rezept verordnungs- und erstattungsfähig – und auf dem Boden deutschen Rechts kann es aus dem umliegenden europäischen Ausland mit einem Formblatt durch die Apotheke reimportiert werden (s. Anlage). Leider erhalten Patienten an vielen Stellen eine irreführende Information („nicht lieferbar“, „verboten“, „nicht verordnungsfähig“). Bei Unklarheiten hilft der Hersteller unter folgender E-Mail-Adresse elmiron@bene-gmbh.de.

Abb. Wirkweise Pentosan: Die intakte GAG-Schicht (im Bild links dargestellt) hindert „toxische Metabolite“ daran, in tiefe Blasenwandschichten einzudringen. Ist die GAG-Schicht defekt (im Bild rechts) sind „toxische Metabolite“ dort „eingesickert“, lösen über Mastzellen eine Entzündung der Blasenwand mit Schmerzen und Reizblasensymptomen aus.