„Lieber im Sattel sterben, als niemals mehr zu reiten“ sagte ein Patient vor 20 Jahren, der nach der Markteinführung Viagra einnahm. Das erste wirksame Potenzmedikament war mit dem Mythos des plötzlichen Herztodes bei dem Geschlechtsverkehr verbunden. In den USA hatten kranke 80jährige in der ersten Euphorie Viagra erhalten und es kursierten einige Todesfälle „in kompromittierender Situation“ zumeist in außerehelicher Umgebung durch die Gazetten.

Arterien des Schwellkörpers sind baugleich den Herzkranzgefäßen

Dahinter steckte durchaus ein Körnchen Wahrheit: Der Penisschwellkörper ist nichts weiter als ein spezialisiertes Blutgefäß. Die zuführenden Arterien sind baugleich den Herzkranzgefäßen – die Arteriosklerose, zu deren Risiko Rauchen, Bewegungsmangel und ein erhöhtes Cholesterin gehören, spielt sich folgerichtig nicht nur in einem Blutgefäßsystem, sondern fast gleichzeitig in allen Blutgefäßen ab. Die gute Nachricht: Beim Mann geht der Potenzverlust etwa 2 – 3 Jahre dem Herzinfarkt voraus. So kann man die „erektile Dysfunktion“ auch als Warnsignal des Körpers vor dem drohenden Herzinfarkt oder der „Angina pectoris“ dem Herzschmerz deuten. Ein Urologe drückte das einmal so aus: Der Penis ist die Wünschelrute des Mannes …

Abbildung: der schwammartige Penisschwellkörper wird durch eine kleine Schlagader („A. profunda penis“) mit Blut in einer Situation mit sexueller Erregung gefüllt. Weil gleichzeitig der Abfluss über das „venöse Netz“ gedrosselt wird, kann das Blut nicht abfließen: eine Erektion baut sich auf. Ist die A. profunda penis verstopft, kann keine Erektion mehr aufgebaut werden – es resultiert eine harmlose Erektionsschwäche. Dramatischer ist die Situation im Herzmuskel: Sind die Herzkranzgefäße verstopft, kommt es zu einer Minderdurchblutung des Herzmuskels. Sterben Areale des Herzmuskels ab, ist der Herzinfarkt komplett; das abgestorbene Gewebe unwiederbringlich defekt.

Bei Potenzproblemen: kardiologische Untersuchung sinnvoll

Dementsprechend sollte also jeder Mann, der über Potenzprobleme klagt, kardiologisch untersucht werden – und jeder Mann, der Hinweise auf einen drohenden oder stattgehabten Herzinfarkt bietet, sollte nach der Erektion befragt werden. Die gute Nachricht: Viagra und die Nachfolgepräparate erhöhen die Gefahr eines Herzinfarktes nicht, wenn einige Vorsichtsregeln beachtet werden: 6 Wochen nach Herzinfarkt oder Schlaganfall sollten sie nicht eingenommen werden, ebenso nicht, wenn Herzklappenfehler oder eine Herzmuskelschwäche vorliegen. Immerhin ist sexuelle Aktivität körperliche Anstrengung: Der Blutdruck steigt auf Werte von über 180 mm Hg, die Pulsfrequenz steigt manchmal auf über 200.

Potenzsteigernde Präparate nur unter ärztlicher Aufsicht

Dies bedeutet auch, dass in Zeiten des Internets und des Schwarzhandels (kein Medikament wird öfter kopiert und illegal verkauft als Viagra) von einer ärztlich nicht überwachten Einnahme solcher Präparate dringend abgeraten werden muss. So gibt es Warnhinweise, die Beachtung finden müssen, Kontraindikationen (Erkrankungen, bei denen sie auf keinen Fall eingenommen werden dürfen) und „Interaktionen“, bei denen gleichzeitig eingenommene Herz-Kreislauf- oder Prostatamedikamente sich mit Viagra zu einem ungesunden Cocktail überlagern. Darüber sollte in Ruhe in einem Gespräch zwischen dem Patienten mit seinem behandelnden Arzt aufgeklärt werden.