Haben alle Anticholinergika die gleichen Nebenwirkungen?

Nebenwirkungen von Anticholinergika

Alle bei Überaktiver Blase angewandten Anticholinergika haben Mundtrockenheit als häufige Nebenwirkung. Grund ist, dass Anticholinergika den Teil des unwillkürlichen Nervensystems dämpfen, der die Blase – aber auch die Speicheldrüsen – mit Nervenimpulsen versorgt. Stellt sich Mundtrockenheit ein, kann dies durchaus als Erfolgsanzeichen interpretiert werden.

Bonbons, öfter mal ein Schluck Wasser oder Kaugummikauen können die Mundtrockenheit meist lindern, häufig verschwinden die Beschwerden aber auch nach 2 bis 3 Wochen wieder.

Auch wenn Mundtrockenheit lästig ist: Im Vergleich zu den Beschwerden einer Überaktiven Blase ist sie sicher ein kleines Übel.

Gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Anticholinergika?

Ja. Alle außer einem Wirkstoff sind fettlöslich und können deshalb ins Gehirn eindringen und dort unangenehme Wirkungen entfalten wie Schlafstörungen, Verwirrtheit, Nervosität oder Schwindel. Durch diese Wirkungen erhöht sich bei deren Einsatz auch die Sturzgefahr.

Das einzige wasserlösliche Anticholinergikum hat keinen Einfluss auf die Hirnaktivität.

Darüber hinaus wirken alle fettlöslichen Anticholinergika entgegengesetzt zu den bei Alzheimer-Demenz eingesetzten Cholinesterasehemmern. Das bedeutet, dass sie eine dementielle Symptomatik verstärken können.

Anticholinerge Last

Zahlreiche andere Wirkstoffe – beispielsweise aus den Substanzgruppen der Antidepressiva, Tranquilizer,  Blutdrucksenker, Schmerzmittel, Antiepileptika – entfalten bereits von sich aus anticholinerge Wirkungen im Gehirn, die zusammengenommen die Hirnleistung beeinträchtigen können. Die Summe dieser Wirkungen bezeichnet man auch als anticholinerge Last. Durch die zusätzliche Gabe eines fettlöslichen, also ins Gehirn eindringenden, Anticholinergikums gegen überaktive Blase steigt die anticholinerge Last unnötig. Wasserlösliche Anticholinergika verstärken nicht die anticholinerge Last.

Wein AJ, Chapple CR, Overactive Bladder in Clinical Practice, Springer-Verlag 2012, 85-96
Perucchini D, Overactive Bladder – Fragen und Antworten, Uni-Med Verlag 2014, S. 54