Habe ich eine Überaktive Blase oder eine Harnwegsinfektion?

Warum muss beim Verdacht auf eine Überaktive Blase eine Infektion ausgeschlossen werden?

Eine Infektion des unteren Harntrakts (Blase und Harnröhre) kann eine Überaktive Blase imitieren. Sowohl bei einer Infektion als auch bei einer „echten“ Überaktiven Blase sind häufiges und nächtliches Wasserlassen sowie kaum zu unterdrückender Harndrang typische Symptome. Zudem kann eine Harnwegsinfektion auch ohne Schmerzen verlaufen. Deshalb ist es wichtig, eine Infektion auszuschließen, bevor die Diagnose Überaktive Blase gestellt wird.

Wie wird ein Harnwegsinfekt festgestellt?

Ein Harnwegsinfekt wird in der Regel durch Analyse einer Urinprobe festgestellt. Mit Hilfe eines Schnelltests bzw. mit Teststreifen wird die Urinprobe auf Nitrit, Leukozyten, Blut und Protein untersucht.

Was bedeuten die Testergebnisse?

  • Nitrit ist eine anorganische Stickstoffverbindung, die von vielen Bakterien (z. B. E. coli, Klebsiellen und anderen) in der Blase aus Nitrat gebildet wird. Ein positiver Nitrit-Test zeigt damit eine bakterielle Infektion an. Der Test ist störanfällig, schon allein durch die Tatsache, dass nicht alle Bakterien, die Harnwegsinfektionen auslösen können, überhaupt Nitrit produzieren.
  • Leukozyten (=weiße Blutkörperchen) gehören zum menschlichen Immunsystem. Eine erhöhte Konzentration im Urin zeigt eine Entzündung an.
  • Blut im Urin kann zahlreiche Ursachen haben, beispielsweise eine Harnwegsinfektion.
  • Eine geringe Menge Protein (=Eiweiß) ist immer im Urin enthalten. Sie kann – z. B. nach körperlicher Anstrengung – vorübergehend leicht erhöht sein. Eine dauerhaft erhöhte Protein-Konzentration im Urin kann verschiedenste Ursachen haben und ist ein Hinweis auf eine Nierenerkrankung. 

Sprechen die Testergebnisse für eine bakterielle Infektion, wird in der Regel eine Urinkultur angelegt, um den Erreger zu bestimmen und gezielt mit einem für diesen Erreger geeigneten Antibiotikum zu behandeln.

Grenzen der Diagnostik mit einem Schnelltest bzw. einer Urinkultur

Auch wenn mit Hilfe eines Schnelltests die meisten Harnwegsinfektionen erkannt werden, weisen Untersuchungen darauf hin, dass ca. ein Drittel der Infekte mit dieser Methode nicht erfasst werden. Die wichtigsten Gründe dafür sind folgende:

  • Einige Bakterien bilden kein Nitrit. Da der Nachweis von Nitrit das Hauptkriterium für eine vorliegende Infektion ist, können Infekte mit diesen Bakterien leicht übersehen werden.
  • Nach neueren Untersuchungen können bestimmte Coli-Bakterien offenbar in die Blasenschleimhaut eindringen, sich dort gewissermaßen „verstecken“ und vermehren. In dieser Zeit ist der Urin keimfrei, so dass eine Urinuntersuchung – auch eine Kultur(!) – keine Infektion anzeigt.

Konzept der „intracellular bacterial colonies“ nach Spaulding (Spaulding CN, Hultgren SJ. Pathogens 2016 March 15;5[1]): Pathogene Coli-Keime aus dem Darm wandern in die Blase (A und B) und vermehren sich dort. Sie können aber auch in die Blasenschleimhaut einwandern (C und D), sich dort vermehren (E) und die Schleimhautzellen zum Platzen bringen (G). Die Bakterien werden wieder frei und vermehren sich wieder in der Blase (H). Die Bakterien können auch samt Schleimhautzelle (F) abgestoßen werden.