Selen-Zink-Präparate beim Discounter in der Vitamin-Ecke, Bezeichnungen wie „nutri“ oder „bio“ suggerieren, dass sich der Käufer etwas Gutes tut, wenn er Selen schluckt.

Aber was ist Selen überhaupt? Darf man es wie ein Vitamin schlucken? Und wo wird es im Körper gebraucht?

Selen ist ein Spurenelement, das von einem gewissen Jörn Jakob Berzelius im Bleikammerschlamm einer Schwefelfabrik entdeckt wurde. Es liegt als graue, geruchslose, kristalloide Substanz vor und entwickelt bei Verbrennung einen charakteristischen, an Meerrettich erinnernden Geruch.

Selen ist Bestandteil einer Aminosäure (als Selenmethionin) und damit Bestandteil von vielen Bakterien und Lebewesen. Selenverbindungen werden daher als Nahrungsergänzung angeboten und zu Futter- und Düngemittelzusätzen verarbeitet.

Auch in der Industrie wird Selen verwendet, so z. B. in Belichtungstrommeln für Fotokopierer und Laser-Drucker, bei der  Halbleiterherstellung, als Latexzusatz zur Erhöhung der Abrasionsbeständigkeit, im Toner für Schwarz-Weiß-Kopien und bei der Herstellung von Linsen in der Laserindustrie. Es ist in Antischuppenschampoo bei manchen pilzbedingten Haarschuppungen enthalten und hat den Ruf eines „Vitamins“. Im Bereich der Inneren Medizin wird Selen bei bestimmten Schilddrüsenerkrankungen (der sog. Hashimoto-Thyreoiditis, einer Auto-Immunkrankheit) eingesetzt und soll diese günstig beeinflussen.

In der Urologie schienen vor rund 10 Jahren Hinweise vorzuliegen, dass Selen vor einem Prostatakarzinom schützt. Untersuchungen aus Israel und der Türkei zeigten bei Männern mit Prostata-Krebs niedrige Spiegel, bei Gesunden normale Spiegel. Sofort sprach sich die scheinbare Botschaft herum „Selen schützt vor Prostatakrebs“.

Wie so oft lag der Teufel aber im Detail: ein Zusammenhang muss nicht immer auf eine Kausalität schließen lassen. Das Thema ist inzwischen wissenschaftlich systematisch untersucht worden. In der sog. SELECT-Studie wurden 35.000 Männer verfolgt. Ergebnis: Die Einnahme von Selen (und Vitamin E) von Männern mit niedrigen Spiegeln verändert ihr Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken nicht. Bei Männern, die einen höheren Ausgangswert als der Durchschnitt der Bevölkerung haben, bewirkt die Einnahme von Selen sogar ein höheres Risiko, dass sich ein Prostatakrebs entwickelt. Damit ist von der Einnahme von Selen oder Vit. E aus urologischer Sicht abzuraten.

Selenkristalle in Reinform: grau, kristallin, geruchslos