Brennen beim Wasserlassen – Frage von Hannah
Sehr geehrter Herr Prof. Dr Wiedemann,
Vor ca. genau einem Jahr habe ich mich bei meinem Freund mit Chlamydien angesteckt. Bindehautentzündung, Gelenkschmerzen, Brennen beim Wasserlassen an der Harnröhre. Daraufhin wurde ich mit Azithromycin 500 behandelt, am ersten Tag 2 Tabletten, danach 5 Tage eine. Mein Freund, seine Mutter ist Allgemeinmedizinerin, wurde mit 14 Tage 2 mal tägl. Doxycyclin behandelt. Meine Beschwerden wurden nicht besser. Abstriche beim Gyn, sowie Urinuntersuchung immer negativ, ab und zu Leukozyten erhöht. Daraufhin wurde ich ca 3 Monate auf Pilz (ohne Nachweis) von Gyn behandelt. Ein Ekzem hat sich gebildet, der Gyn hat auch dieses nicht gesehen- Dermatologe hat mich dann mit einer Fett-Cortison-Östrogencreme behandelt. Brennen beim Wasserlassen blieb bestehen, Gelenkentzündung auch. Dann folgte mein erster Besuch beim Urologen, auch da- Leukozyten erhöht. Behandlung mit Infectotrimet. Es wurde nicht besser, dann folgte eine schmerzhafte Blasenspiegelung. Die Blase sah entzündet aus. Daraufhin bekam ich Nitrofurantoin. Wurde auch nicht besser. Dann kam mein Urologe auf die Idee einen Multiplex-Harnröhrenabstrich zu machen. Siehe da: chlamydien positiv. Es folgte eine 7 tägige Behandlung (auch Partnerbehandlung) mit einmal täglich 200 doxy. Es wurde besser, 3 Tage nach absetzen dann wieder schlimmer. Multiplex danach zeigte weiterhin chlamydien. Nochmal Behandlung mit 2 x 500 Azithromycin. Brachte gar nichts. Folgender Abstrich immer noch positiv auf chlamydien. 21 Tage doxycyclin (auch mein Partner). Der Abstrich daraufhin war negativ. Die Gelenkschmerzen sind besser, das Brennen beim Wasserlassen absolut nicht. Die Harnröhre brennt während und nach dem Wasserlassen. Es ist unerträglich. Auch Mictonorm und etliche Cremes von Multigyn bis Linola und natürlich auch Milchsäure, D-Mannose und und und wurden versucht; auch keine Besserung. Haben Sie noch irgendeine Idee? Lohnt es sich, nochmal im KH alles überprüfen zu lassen? Können trotz des Negativ-Nachweises beim PCR-Harnröhrenabstrich noch Chlamydien da sein ? Es muss einfach langsam besser werden, meine Psyche, mein Studium und meine Beziehung leiden enorm darunter.
Vor der Chlamydieninfektion hatte ich keinerlei Probleme in dem Bereich, während der Antibiotikabehandlung und auch danach waren wir immer abstinent, da ich sowieso starke Schmerzen habe.
Ganz liebe Grüße,
Hannah
Antwort von Prof. Wiedemann:
Liebe Hanna,
Ihre Fragestellung ist komplex. Vor allem die Kombination mit Gelenkschmerzen lassen mich annehmen, dass sich inzwischen ein sog. Reitersyndrom gebildet hat – eine autoimmunologische Kreuzreaktion von körpereigenem Immunsystem und Chlamydienoberflächenantigenen, die mittlerweile dann Infekt-unabhängig Harnröhrenschleimhaut, Gelenkinnenhäute und manchmal auch die Augenbindehaut angreift. Somit ist u. U. gar kein auslösendes Bakterium mehr da, sondern nur noch die außer Kontrolle geratene Reaktion des Immunsystems. Das Reitersyndrom habe ich an der Uni mit den Symptomen „can´t pee, can´t see, can´t climb a tree“ gelernt.
Aus meiner Sicht müssten Sie
- wiederholte Abstriche aus der Scheide und ihr Partner ebenfalls aus der Harnröhre bekommen, um sicher auszuschließen, dass Chlamydien überlebt haben. Ein negativer Abstrich heißt gar nichts.
- Daraus sollte eine Kultur angelegt werden, um das Antibiotikum, was wirkt, auch wirklich zu identifizieren (wer sagt, dass Doxy auf „Ihre“ Chlamydien wirkt?)
- Eine Lokalbehandlung mit einem Östrogen und Cortison bei einer Frau vor den Wechseljahren macht aus meiner Sicht keinen richtigen Sinn, sondern bringt die eigentliche Flora erst recht durcheinander.
- Eine Introitus-Sonographie (Ultraschall vom Scheideneingang aus) sollte gemacht werden, um auszuschließen, dass sich z. B. in einem Harnröhrendivertikel die Chlamydien halten (angeborene Aussackung der Harnröhre), zusätzlich eine Harnröhrenspiegelung (manche Urologen machen bei einer Frau nur eine Blasenspiegelung und übersehen dann Auffälligkeiten in der Harnröhre).
- Dann sollten Sie sich mit der Verdachtsdiagnose eines Reiter-Syndroms bei einem Rheumatologen vorstellen. Dieses wird (bei negativem Bakteriennachweis) dann ganz anders z. B. mit Voltaren, Ibuprofen oder auch vorübergehend mit Cortison behandelt. Das würde ich aber auf jeden Fall nicht in Eigenregie machen.
- Bis zum mehrfachen neg. Nachweis bei Ihnen beiden empfehle ich geschützten Verkehr – sicherheitshalber.
Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologischen Klinik, Ev. Krankenhaus Witten gGmbH