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Der Traum von der Schließmuskelregeneration durch Stammzellen

21.07.
2020

„Inkontinenz durch Stammzellen heilbar“ – so eine Schlagzeile, die Urologen in aller Welt 2005 elektrisierte. Innsbrucker Urologen hatten bei der sog. „Post-Prostatektomie“-Inkontinenz spektakuläre Behandlungserfolge erzielt. Sie hatten rund 60 Männer zusammen mit einer israelischen Biotech-Firma behandelt, die nach der Radikal-Entfernung von Prostata-Krebs einen Schließmuskelschaden bei der sog. „Radikalen Prostatektomie“ davongetragen hatten. Bei diesem komplexen Eingriff, der im EVK Witten minimal-invasiv und unter Zuhilfenahme von 3-D-Kameras durchgeführt wird, kann es als Komplikation zu einer anhaltenden Beschädigung des in unmittelbarer Nähe der Prostata sitzenden Schließmuskels kommen. Wird in einer solchen Situation eine Blasenspiegelung vorgenommen, stellt sich der Schließmuskel nicht wie eine konzentrische Iris-Blende etwa an einer Spiegelreflex-Kamera dar, sondern es scheinen einige Elemente der Irisblende zu „fehlen“ (s. Abb.)

Der Schließmuskel bei diesem Patienten mit einer Inkontinenz nach radikaler Prostatektomie ist nicht rundlich wie eine Irisblende, der Verschlußmechanismus zeigt einen Spalt nach links oben, durch den Urin herausläuft.

Die Innsbrucker Urologen nun entnahmen aus dem Bizeps des Patienten Muskelzellen, verarbeiteten sie mit Hilfe der Biotech-Firma in Stammzellen und injizierten sie zusammen mit Kollagen in den Schließmuskelbereich. Es sollte durch die Stammzellen „ein neuer Schließmuskel wachsen“. Angeblich konnte dies durch Gewebsentnahmen in Tiermodellen nach dem Motto „vorher – nachher“ sogar belegt werden. Die Kosten – für den Patient bei diesem von den Krankenkassen noch nicht genehmigten Verfahren – beliefen sich auf 40.000 Euro. Die Erfolgsrate wurde in Vorträgen und Publikationen hochrangiger medizinischer Zeitschriften mit sagenhaften 80 % bei einer drittgradigen, d. h. kompletten Harninkontinenz angegeben. Die Kongressteilnehmer, die diese Zahl hörten, applaudierten mit „standing ovations“, die Insbrucker Urologen waren die Stars mehrere Kongresse.

Nur einige wenige Zuhörer beschlich der Verdacht, dass solche Zahlen unrealistisch sind. 3 Jahre später stellte sich heraus, dass die Studienzahlen gefälscht waren und die Erfolgsquoten in Wahrheit nahe „0“ rangierten. Die Verantwortlichen wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt und verloren ihre Approbation, d. h. die Erlaubnis, ärztlich tätig zu sein. Dies ist ein Berufsverbot und für den Arzt die höchste Strafe. Der Chef der Innsbrucker Urologie und Lehrstuhlinhaber wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und ging wenig später in Ruhestand.

Leider wurde hier eine Hoffnung bei Betroffenen geweckt, die nicht hielt, was sie versprach. Zwar wird heute immer noch auf diesem Sektor geforscht, bei realistischer Betrachtung wird es aber noch Jahrzehnte brauchen, bis das Verfahren (geringere) Erfolgsquoten erbringt.

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