Infektion im Urogenitalbereich – Frage von Sophie
Rückfrage von Sophie (6.1.2020):
Sehr geehrter Herr Prof. Wiedemann!
Vielen Dank für Ihre rasche Antwort!
Ich habe noch eine Frage bzgl. der diagnostischen Abklärung. Sie schreiben eine PCR auf Mykoplasmen, Chlamydien und andere unspezifische Erreger ist ausreichend. Kann man mit einer PCR nicht nur gezielt bestimmte Erreger bestimmen? Welche anderen Erreger kommen bei mir noch in Frage? Stimmt es, dass M. genitalium sehr schwer zu detektieren ist und es auf den Abnahmeort ankommt, ob es gefunden wird oder nicht?
Herzlichen Dank für Ihre Hilfe!
Mit lieben Grüßen,
Sophie
Antwort von Prof. Wiedemann:
Liebe Sophie,
das müssten Sie eher einen Mikrobiologen fragen. Nach meiner Kenntnis sind die Mykoplasmen alle verwandt und lassen sich über die PCR „gruppenweise“ bestimmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologischen Klinik, Ev. Krankenhaus Witten gGmbH
Ursprüngliche Frage von Sophie:
Liebes Ärzteteam!
Ich bin Physiotherapeutin, 30 Jahre alt und leide seit mittlerweile 3 Jahren an Beschwerden im Urogenitalbereich, die immer schlimmer wurden. Begonnen mit unspez. Beschwerden (dachte Pilzinfektion oder leichter HWI). Dann kamen bilaterale UB-Schmerzen dazu. Irgendwann fiel mir ständiger Druck auf der Blase auf (jedoch kein typ. Harndrang). Dann kamen Schmerzen in der Harnröhre nach dem Urinieren dazu + ziehende Schmerzen im UB (wie Entzündungsschmerz). Seit Sommer 2019 sogar Nierenschmerzen.
Ich war immer wieder bei Abstrichen, da die Schmerzen mit einer Ex-Beziehung begonnen haben (habe jetzt erfahren, dass Ex-Partner neben mir auch mit anderen Frauen Sex hatte und als Kind immer wieder ungeklärte HWIs hatte).
Im Sommer habe ich AZM für 3 Tage erhalten (weil immer wieder Ureaplasmen zu finden waren und eine Gynäkologin doch meinte, die können die Blase hochsteigen). Ich rechnete mit keiner Wirkung, da mir nach der ersten Tablette von einem anderen Arzt in der Familie gesagt wurde, dass Ureaplasmen zur physiologischen Flora gehören.
Ich war jedoch nach der Einnahme komplett beschwerdefrei!!! Ich hatte wieder Lebensfreude. Habe alle Schmerzmittel verstaut, Umbauplanung und Hochzeitsplanung mit meinem Freund begonnen, war nach einem Jahr wieder motiviert, jeden Tag laufen zu gehen, uvm.
Leider ist danach alles schief gegangen. Statt AZM gleich länger zu nehmen war ich zur PCR wo Ureaplasma parvum gefunden wurde. Mir wurde gesagt, dass diese nicht pathogen sind und ich habe nichts weiter gemacht.
Dann musste ich Selexid für HWI und Amoxicillin für Sinusitis nehmen. Während Amoxicillin sind alle Beschwerden im Uro-/Gynbereich wieder gekommen. Ich war akut bei einer Urologin, die mir Doxycyclin verschrieben hat, was nicht geholfen hat. Eine andere sehr erfahrene Urologin hat gemeint, ich hätte Doxy nie bekommen, geschweige denn fertig nehmen sollen. Sie verschrieb mir wieder AZM. Es hat zwar geholfen, aber nicht mehr so gut wie im Sommer. 2 Wochen nach Einnahme waren alle Beschwerden wieder zurück.
Jetzt wird mir gesagt, dass sich Schmerzen im Gedächtnis verankern können oder dass ich eine interstitielle Cystitis hätte und statt Nierenschmerzen Muskelschmerzen hätte. Und dass die Beschwerdefreiheit nach AZM Placebo war.
Ich bin mittlerweile psychisch schon sehr angeschlagen aber ich spüre, dass die Diagnose IC und das Vollpumpen mit Antidepressiva und Schmerzmittel der komplett falsche Weg ist. Auch wenn ich im Herbst gar nicht auf mein Körpergefühl gehört habe, jetzt tu ich es und weiß, dass bei mir eine Infektion dahintersteckt.
Ich habe mittlerweile eine diagnostizierte Schichtstörung in der Blase, Vorstufe von Krebszellen wurden gefunden und ich habe eine chronische Mikrohämaturie.
Ich brauche Ihre Hilfe. Ich habe in Österreich noch keinen Experten gefunden, der mir bei meinem Problem weiterhelfen kann. Ich habe mich mittlerweile selbst sehr viel eingelesen und habe so große Angst, dass bei mir irgendwelche Erreger vorhanden sind, die man nicht findet (bzw. noch nicht kennt) und somit keine Resistenzbestimmung möglich ist.
Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe mit lieben Grüßen aus Österreich, Sophie
Antwort von Prof. Wiedemann:
Liebe Sophie,
ob Mykoplasmen zur physiologischen Flora gehören, ist umstritten. Meine persönliche Meinung (wie die vieler Urologen) ist, dass sie nicht physiologisch sind. Sie gehören auf jeden Fall eradiziert – zusammen mit einer simultanen Partnerbehandlung (hat daran mal jemand gedacht?).
Ob die Mykoplasmen auch die Auslöser der Blasenbeschwerden sind, wäre noch zu klären. Das kann man mit einer (vag.) Untersuchung herausbekommen (wo es denn weh tut). Vor „anderen“ Erregern brauchen Sie keine Angst zu haben, eine PCR eines Introitusabstriches und eines Morgenurins auf Mykoplasmen und Chlamydien und unspezifische Erreger sind ausreichend.
Zur Frage einer IC – die ist ja per Definition erst dann gegeben, wenn eine sog. Distensionszystoskopie entsprechende Hinweise liefert UND keine andere Ursache vorliegt UND die Beschwerden (chron. Unterbauchschmerz und ein weiteres Harnblasensymptom wie Drang oder Pollakisurie) vorliegen. Wenn Ihre Beschwerden also nach „ordentlicher“ antibakterieller Behandlung nicht weg sind, müsste eine Distenstionszystoskopie gemacht werden.
Wohin Sie sich in Österreich wenden können, weiß ich leider nicht. In Deutschland gibt es die „ICA“ Deutschland, die 9 Zentren zertifiziert hat, von denen wir eines sind. Vielleicht kann Ihnen die ICA weiterhelfen oder die Medizinische Kontinenzgesellschaft Österreichs, die „MKÖ“.
Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologischen Klinik, Ev. Krankenhaus Witten gGmbH