Interstitielle Zystitis / chronische Blasenentzündung – Frage von zwilling
Liebes Expertenteam,
ich bin 33 Jahre alt und leide seit einem Jahr unter Blasenbeschwerden.
Alles begann mit einer Blasenentzündung Ende 2018 (zuvor hatte ich noch nie Probleme mit der Blase).
Die Beschwerden zeigten sich lediglich in ständigem Harndrang. Schmerzen beim Wasserlassen hatte ich nie. Nach einer Woche mit pflanzlichen Tabletten und ohne Linderung, ging ich zum Hausarzt. Eine Urinuntersuchungen wies Bakterien auf (E. coli und E. faecalis). Ich sollte Cystinol akut und Notakehl D5 einnehmen. Die Beschwerden gingen damit zurück. An den Weihnachtsfeiertagen kamen sie wieder.
Da ich im medizinischen Bereich tätig bin, organisierte ich Fosfomycin. Einen Tag nach der Einnahme war ich beschwerdefrei. Es folgten beschwerdefrei Monate. Hin und wieder dachte ich die Beschwerden kommen zurück, doch mit etwas D-Mannose war binnen von ein paar Stunden alles wieder gut.
Im August diesen Jahres war ich länger im Urlaub. Jetzt traten die Beschwerden wieder auf. Ich nahm Fosfomycin ein. Mit Erfolg. Eine Woche später ging es jedoch wieder los. Ich nahm nochmal Fosfomycin ein. Wieder eine Woche später kamen die Beschwerden zurück. Jetzt besorgte ich nach telefonischer Rücksprache mit meinem Urologen Ciprpfloxazol. Es ging mir binnen Stunden besser. Erst als die Beschwerden während der Einnahmen des AB wiederkehrten, ging ich am Urlaubsort zum Urologen. Hier erfolgte eine Urinuntersuchungen. Keine Bakterien nachweisbar. Fortan leide ich immer mal wieder unter den Symptomen immer ohne Beteiligung von Bakterien. Es gib Tage ohne Beschwerden, dann wieder ein paar schlechte Tage. Seit etwa vier Wochen habe ich fast dauerhafte Beschwerden. Schmerzen stehen dabei nicht im Vordergrund. Ich musste noch nie Schmerzmittel einnehmen. Der Harndrang ist das Hauptproblem. Es beginnt meist morgens nach der ersten Miktion ganz plötzlich, obwohl der Tag zuvor vielleicht sogar beschwerdefrei verlief.
Mein Urologe machte Ultraschall. Alles unauffällig. Lediglich Restharn von etwa 30 ml. Ich bekam MICTONORM 30 mg und nehme diese ein mal täglich seit 3,5 Wochen ein.
Ich bemerke, dass der Miktionsreiz etwas zurückgegangen ist. Ich führe ein Miktionstagebuch. Ich gehe ca. 10 mal am Tag und 2 mal in der Nacht zur Toilette. Aber das ändert sich je nach Tagesform. Ich halte aber tagsüber auch länger ein. Ich trinke über 2,5 Liter Tee. Die Urinmenge beträgt im Durchschnitt 200-500 ml. Nach der Miktion vergeht ca. 1-2 Stunden bis der Reiz wiederkommt. Gynäkologisch hatte ich eine Weile Probleme mit wiederkehrenden Candidainfektionen wegen der vielen Antibiotika. Ich nehme jetzt Fluconazol ein. Der Pilz ist schon seit zwei Wochen nicht mehr im Abstrich nachweisbar. Ansonsten alles gesund.
Vor zwei Wochen stellte ich mich in einer Klinik für Neurourologie vor. Hier erfolgte endlich eine Spiegelung. Es zeigte sich eine Entzündung am „Blasenboden“, während das „Blasendach“ gesund aussah. Es wurde dabei Direkturin entnommen. Keine Bakterien, lediglich etwas Blut.
Nun bekomme ich einmal die Woche eine Installation mit Cortison, Antibiotikum und Lidocain. Die Beschwerden sind seitdem alternierend mal weg, mal wieder da. Die zweite Installation war vor zwei Tagen. Jetzt fühle ich mich sogar schlechter.
Die vorläufige Diagnose lautet verschleppte, nicht auskurierte, jetzt abakterielle Entzündung. Wenn nach 4 Installationen mit demselben Wirkstoff keine Besserung eintritt, soll es mit GAG weitergehen. Erst dann soll eine Blasendistension vorgenommen werden. Wie schätzen Sie die Diagnose ein, hätten Sie noch weitere Ideen und was können Sie mir bzgl. der Therapie raten. Ich leide wirklich sehr unter den Symptomen. Ich habe natürlich auch Angst vor der Diagnose Interstitielle Zystitis, aber es wurde mir gesagt, es wäre zunächst nicht anzunehmen.
Über Ihre Einschätzung freue ich mich sehr.
Antwort von Prof. Wiedemann:
Lieber Zwilling,
eine „Einschätzung“ kann man anhand lediglich einer Mail ohne Kenntnis der Befunde schlecht geben. Das überschreitet die Möglichkeiten eines Blasenblogs und ist doch eher eine „Zweitmeinungsanfrage“ – die müsste man dann aber in Kenntnis aller Befunde (Urodynamik, Spiegelungsbefund, Harnröhrensonographie/Introitussonographie usw.) vornehmen.
Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologischen Klinik, Ev. Krankenhaus Witten gGmbH