Überaktive Blase, nichts hilft – Frage von Chris
Rückfrage von Chris (18.10.2019):
Eine vergrößerte Prostata ist es laut Urologin auch nicht. Könnte ev. ein Reizdarm in Frage kommen, da ich auch stark unter Blähbauch sowie Blähungen leide. Mir ist aufgefallen, sobald ich Kaffee trinke, muss ich mehrmals innerhalb kurzer Zeit auf die Toilette, sowohl für großes als auch kleines Geschäft. Ich kann bei mir unregelmäßigen Stuhlgang beobachten (z.B. drei mal hintereinander). Auch der Urologin ist es zu Beginn der Untersuchung aufgefallen, dass ich viel Luft im Bauch habe, es wurde darauf jedoch nicht mehr eingegangen. Wäre ein Versuch mit einem Medikament gegen Reizdarm sinnvoll und wenn ja, sollte ein Blasentraining dazu kombiniert werden?
Momentan ist meine Situation folgende: Ich trinke ca. 1,5 Liter auf ca. 6-7 Stunden verteilt, ab der ersten Hauptmahlzeit um 12.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Außerhalb dieser Zeitspanne trinke ich so gut wie nichts, dann lässt es sich eigentlich ganz gut mit der Reizblase leben, da ich dann nachts nur ca. 1 mal muss und unter Tags alle ein bis zwei Stunden. Ist ein besseres Gefühl, als wenn ich viel trinke und dann alle 10 Minuten gehen muss.
Beste Grüße
Chris
Antwort von Prof. Wiedemann:
Lieber Chris,
ein Reizdarm kann keine Blasenbeschwerden machen. Ich empfehle eine urologische Diagnostik mit Harnstrahl-Messung und Ultraschall.
Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologischen Klinik, Ev. Krankenhaus Witten gGmbH
Ursprüngliche Frage von Chris:
Hallo Herr Prof. Dr. A. Wiedemann,
ich bin männlich, 33 Jahre alt und leide seit etwa acht Jahren an einer überaktiven Blase. Nach mehreren Besuchen bei Urologen und nachdem eine Urodynamik-Messung durchgeführt wurde, war der Verdacht der Urologin auf eine Harnröhrenverengung naheliegend.
Daraufhin wurde eine Blasenspiegelung in Vollnarkose angeordnet, um bei der Narkose eine eventuell bestehende Harnröhrenverengung gleich zu schlitzen.
Meine Symptome sind nahezu identisch zu denen einer Harnröhrenverengung, jedoch wurde bei der Operation unter Narkose keine Harnröhrenverengung festgestellt, meine Harnröhrenweite sei sogar sehr gut (Harnröhre sei bis zu 22 Ch frei passierbar). Man hat mir daraufhin geraten das Medikament Tamsolusin auszuprobieren. Es wurde aber ebenfalls noch nie Restharn diagnostiziert.
Diagnose vorl. Entlassungsbrief lautet wie folgt:
Ausschluss Hanröhrenstriktur
Kontrakter Blasenhals DD neurologische DD funktionelle Blasenentleerungsstörung Z.n. Urodynamik Restharnmengen bis 200 ml Z.n. Chlamydien-Infekt vor ca 1,5 Jahren
Es wird eine weitere neurologische Abklärung angeraten, bevor Medikamentöse Therapie erfolgt.
Die Werte der Flowmetrie-Auswertung waren folgende:
Max. Flow = 11.2 ml/s
Mittlerer Flow = 6.2 ml/s
Miktionsvolumen = 280 ml
Flowzeit = 45 s
Miktionszeit = 49 s
Zeit bis max. Flow = 14.5 s
Beschleunigung = 0.8 ml/s/s^2
Verzögerung = 31.3 s
Ich habe auch über drei Tage ein Miktionsprotokoll angefertigt, dieses sieht wie folgt aus:
Tag 1:
Trinkmenge: 2800 ml
Harnmenge: 1800 ml
Toilettengänge: 16
Abgegebene Menge pro Einheit: 80 ml bis max. 150 ml
Tag 2:
Trinkmenge: 2200 ml
Harnmenge:1700 ml
Toilettengänge: 14
Abgegebene Menge pro Einheit: 60 ml bis max. 150 ml
Tag 3:
Trinkmenge = 1450 ml
Harnmenge = 1900 ml
Toilettengänge: 16
Abgegebene Menge pro Einheit: 75 ml bis max. 175 ml
Meistens beträgt die abgegebene Harnmenge pro Toilettengang etwa 100 ml bis 125 ml. Ich habe bereits eigeninitiativ das Medikament Betmiga über 6 Wochen getestet, dieses Medikament hatte keinerlei Wirkung bzw. keine Besserung der Symptome (ich hatte nur Nebenwirkungen). Auch habe ich früher schon Versuche mit Vesikur sowie Spasmex unternommen, ebenfalls ohne jegliche Wirkung/Besserung. Lediglich einen trockenen Mund habe ich bekommen.
Wenn eine größere Trinkmenge getrunken wird, muss ich alle 5-10 Minuten auf die Toilette, was ziemlich belastend ist. Meistens muss ich dann innerhalb von einer Stunde ca. fünf mal auf die Toilette um 500 ml auszuscheiden.
Ich habe hier in einem Beitrag gelesen, dass Chlamydien daran schuld sein könnten, diese wurden auch in der Schwangerschaft von meiner Lebensgefährtin diagnostiziert und wir wurden beide mit Doxycyclin behandelt. Ich habe es über 10 Tage genommen und meine Partnerin drei Tage. Das ist jetzt etwa eineinhalb Jahre her, es gab keine Besserung meiner überaktiven Blase.
Ebenfalls habe ich schon über eine Woche probiert meine Blase zu trainieren und so die Harnmengen zu steigern und die Toilettengänge zu reduzieren. Dies klappte auch, ich konnte bis zu 350 ml zurückhalten, das Training hatte aber keinen Lerneffekt, da die darauffolgenden Harnmengen immer wieder abnahmen bis zum nächsten Tag.
Das heisst am nächsten Tag hatte ich wieder ab einer Füllmenge von etwa 100 Milliliter Harndrang und hätte das Training von vorne beginnen müssen. Nach einer Woche gab ich auf, da das Gefühl des Zurückhaltens wirklich unangenehm ist.
Das Medikament Tamsolusin habe ich probeweise mal für einen Tag genommen. Ich hatte keine Besserung bzw. Steigerung der Harnmenge feststellen können, aber hatte als Nebenwirkung sofort einen trockenen Samenerguss sowie eine verstopfte Nase. Ich will vorerst die Finger davon lassen, da ich kein gutes Gefühl bei diesem Hammer-Medikament habe.
So langsam bin ich der Meinung, dass mir bei meinem Problem nicht geholfen werden kann. Was ist ihr Rat?
Beste Grüße
Chris
Antwort von Prof. Wiedemann:
Lieber Chris,
ein Blog mit Online-Frageservice ist eher zur Beantwortung allgemeiner Fragen geeignet. Hier müsste ich aber behandelnd eingreifen – ohne die Befunde (z. B. Ihren Blasenhals) gesehen zu haben.
Ich kann Sie also nicht kompetent beraten – am ehesten denke ich noch, dass Ihr Urologe Ihnen eine Operation am Blasenhals vorschlagen wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. med. Andreas Wiedemann, Chefarzt der Urologischen Klinik, Ev. Krankenhaus Witten gGmbH