Wie wirken Anticholinergika und welche Bedeutung haben die Muscarin-Rezeptoren in der Blasenwand?

Standardtherapie bei Überaktiver Blase: Anticholinergika

Anticholinergika spielen die zentrale Rolle bei der medikamentösen Behandlung der überaktiven Blase.

Sie entspannen die Blasenmuskulatur und erhöhen damit die Aufnahmekapazität der Harnblase. Die Harnblase kann sich nun stärker füllen, bevor sich Harndrang einstellt. Außerdem wird das plötzliche starke Zusammenziehen des Blasenmuskels gedämpft und somit dem ungewolltem Urinverlust vorgebeugt.
Die Therapie mit Anticholinergika ist eine Dauertherapie. Es dauert ca. 1 Woche, bis ein Anticholinergikum wirkt und es kann ein paar Wochen dauern, bis die richtige Dosis gefunden ist.

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Perucchini D, Overactive Bladder – Fragen und Antworten, Uni-Med Verlag 2014, S. 46-48.

Muscarin-Rezeptoren und Anticholinergika

Um eine normale Blasenentleerung auszulösen, schütten Nervenenden  des autonomen Nervensystems den Botenstoff Acetylcholin aus.

Acetylcholin bindet an sog. Muscarin-Rezeptoren in der Blasenwand und löst damit die Kontraktion des Blasenmuskels aus, so dass sich die Blase entleert. Es gibt die 5 verschiedenen Muscarin-Rezeptoren M1 bis M5, von denen an der Blase nur M2 und M3 eine Rolle spielen.

M3 bewirkt die eigentliche Kontraktion, also das Zusammenziehen des Blasenmuskels, M2 hemmt die Blasenentspannung. Beides zusammen führt zur Blasenentleerung.

Bei überaktiver Blase fallen die Wirkungen an den M2- und M3-Rezeptoren zu stark aus, so dass es zu ungewollten Blasenentleerungen kommen kann.

Was machen Anticholinergika? Sie wirken dem Acetylcholin entgegen, indem sie die Muscarin-Rezeptoren hemmen. Damit wird die Anspannung des Blasenmuskels reduziert und die Entspannung des Blasenmuskels gefördert.

Auf einer überaktiven Blase finden sich 3-mal mehr M2- als M3-Rezeptoren. Deshalb ist eine starke Bindung des Anticholinergikums an M3- und M2-Rezeptoren wichtig. Eine Wirkung auf M2-Rezeptoren darf keinesfalls fehlen.

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