Seit einigen Jahren rechnet jedes Krankenhaus, in dem Sie behandelt werden, mit der Krankenkasse nach Pauschalen ab. Dabei handelt es sich um einen Fixbetrag, der nach der Diagnose gezahlt wird, egal, wie alt, wie krank oder wie behindert der Patient ist. Nur in Ausnahmefällen oder extremer Überschreitung einer definierten „mittleren Liegedauer“ dieser Erkrankung kann das Krankenhaus Mehrkosten geltend machen.

Während Ihre Krankenkasse das Krankenhaus über Jahrzehnte wie ein Urlauber sein Hotel jeden Tag einzeln nach einem individuellen Betrag entlohnte, erhält das Krankenhaus heute einen Fixbetrag, die Fallpauschale oder das „DRG“ (engl.: diagnose related group).

Diesen krassen Unterschied kann man sich vielleicht so erklären: Das Hotel bekommt nun nicht mehr für jede Ihrer Übernachtungen einen Betrag, der – je nach dem, ob Sie in einem Grand Hotel übernachten oder eine Pension gewählt haben – entweder ein fürstliches Entgelt oder ein geringes Übernachtungsgeld, sondern alle Hotels und Pensionen bekommen für Ihren Urlaub dasselbe, egal, ob der Urlauber 2 oder 3 Wochen bleibt, egal, ob das Hotel direkt am Meer liegt oder sich im Hinterland befindet, egal, ob es hohe Kosten hat oder niedrige.

Die Unterschiede gehen sogar noch weiter: Komplikationen der Behandlung sind in die Fallpauschale eingepreist: erleidet der Patient eine Nachblutung oder Wundinfektion, muss also nach der Entlassung noch einmal aufgenommen werden, bekommt das Krankenhaus kein Zusatzentgelt. Erleidet der Patient, der wegen einer Gallenblasenoperation im Krankenhaus liegt, einen Bandscheibenvorfall, kann das Krankenhaus keine zweite Pauschale abrechnen – diese richtet sich nach der Hauptdiagnose – in diesem Fall „Gallensteine“. Das Krankenhaus muss also intern die Kosten für die Behandlung zweier Erkrankungen für Röntgen, Operation, Medikamente, Krankengymnastik usw. darstellen, bekommt aber nur eine Fallpauschale von der Krankenkasse. Das hat auch für die Behandlung in heutigen Zeiten Folgen: Der Patient, der eine Prostatavergrößerung und einen Blasentumor hat, wird in Zukunft in 2 Aufenthalten behandelt werden müssen. In dem alten System blieb er einfach doppelt so lang wie bei einer Erkrankung und das Krankenhaus erhielt die Kosten über die Liegedauer ersetzt.

Zwangsläufig ist die Behandlung schneller geworden: Da die Fallpauschale konstant bleibt, egal ob der Patient nach seiner Blinddarmoperation am 3., 5. oder 7. Tag entlassen wird, ist die Tendenz da, ihn möglichst früh zu entlassen. Das fördert minimal-invasive, schonende Behandlungsverfahren, die ihre Mehrkosten durch die kürzere Verweildauer und damit geringeren Kosten für ein Krankenhaus amortisieren. Dieser Effekt lässt sich in der Urologie ganz eindeutig nachverfolgen: Verblieb ein Patient in der Urologie noch in den 80er Jahren im Mittel rund 13 Tage, ist diese Frist heutzutage auf 5,8 Tage abgesunken. Ein weiterer Teilaspekt des Fallpauschalensystems ist die Definition von „obligat ambulanten Eingriffen“. Bestimmte Operationen können nicht mehr stationär durchgeführt werden, auch wenn der Patient alt, alleine oder Krank ist. Dazu gehört beispielsweise die Beschneidung in der Urologie – muss diese aus den genannten Gründen doch stationär durchgeführt werden, ist ein reger Schriftverkehr zwischen Krankenhaus und Krankenkasse die Folge – auch, wenn ein niedergelassener Facharzt durch das Ausstellung einer Einweisung die stationäre Behandlung für notwendig hält.

Ursprünglich wurde das System der „DRG´s“, der Fallpauschalen in der Medizin, in Australien zur Vereinfachung des Abrechnungssystems entwickelt. Inzwischen bezweifeln Experten, ob es sich wirklich um eine Vereinfachung handelt, denn Hunderte von Fallpauschalen, Zuschläge, Verweildauerberechnungen, der Streit, ob Begleitdiagnosen relevant sind oder nicht, der Kampf um die Abwicklung einer Behandlung als stationäre Behandlung oder ambulante Therapie wird von einem Heer von Kodierfachkräften und Medizincontrollern auf Seiten der Krankenhäuser und Abrechnungsspezialisten im Dienste der Krankenkassen geführt.

Fallpauschalen sind politisch inzwischen weltweit umgesetzt, so dass die Diskussion um deren Sinnhaftigkeit müßig ist. Allerdings sind Ordnungssysteme immer dann erfolgreich, wenn sie einfach und selbsterklärend sind. Dies ist bei dem jetzigen System nicht gegeben: die „Deutschen Kodierrichtlinien“ stellen ein Buch mit dem Umfang des Telefonbuches der Stadt Witten dar, das mit seinen Änderungen wie eben dieses Telefonbuch jedes Jahr neu aufgelegt wird …